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Orf9b-Protein und Tom70

Das Genom menschlicher Mitochondrien codiert für 37 Proteine - der Rest der etwa 1500 benötigten Proteine muß aus dem Cytosol importiert werden. Dazu ist ein selektiver Transportmechanismus durch äußere wie innere Membran der Mitochondrien nötig. Im Zusammenhang mit Corona-Viren-Infektionen ist eine Komponente der Transportmaschinerie durch die äußere Membran wichtig: das Rezeptorprotein Tom70 (translocase of the mitochondrial outer membrane). Es selektiert nicht nur, welche Proteine in die Mitochondrien gelangen sollen, sondern reagiert auch mit einem Signalprotein für Virenifektionen (mitochondrial antiviral-signaling protein (MAVS)). MAVS ist eine Komponente des antiviralen Immunsystems.
Orf9b von SARS-Cov2 liegt innerhalb des Gens N (nuclear protein) und wird durch Leserahmenverschiebung exprimiert. Das Orf9b-Protein bindet an Tom70.

Die Struktur des Hefe-Tom70 wurde schon vor einiger Zeit ermittelt, die Bindestelle zur Selektion von Proteinen (meist in Komplex mit Chaperonen=Hilfsproteinen) ist daher bekannt. Die Sekundärstruktur von menschlichem Tom70 (hier die raumfüllende Darstellung: nur der in das Zytosol ragende Teil ist dargestellt, die ersten 108 Aminosäuren mit dem Membrananker sind nicht sichtbar:) zeigt einige Besonderheiten . Ein sich wiederholendes Strukturmotiv besteht aus je zwei Helices, die antiparallel unter einem Winkel von ca. 24° aneinanderliegen. Die ersten drei Wiederholungen binden die Chaperone . Die nächste Gruppe von Wiederholungen bildet eine interessante Superstruktur . Hier kommt das Genprodukt von Cov2-Orf9b ins Spiel: es bindet in diesem Hohlraum (nur der gebundene Teil des Proteins ist sichtbar: Aminosäuren 39 - 76). Hier binden normalerweise die Signalsequenzen von Proteinen, die ohne die Hilfe von Chaperonen in die Mitochondrien transportiert werden. Wie hält sich das Orf9b-Produkt hier fest? Es gibt hydrophobe Wechselwirkungen (gelb) und Anziehungskräfte zwischen Aminosäuren mit elektrisch geladenen Atomen . Zurück zum Komplex . Wenn Bindungen anderer Proteine an Tom70 etwas bewirken sollen, muß sich Tom70 rühren: es reagiert mit Konformationsänderungen, die ihrerseits weitere Reaktionen anstoßen. Das hier gezeigte Modell ist statisch (die Untersuchungsmethode kann keine Bewegungen im Protein sichtbar machen). Lediglich durch Vergleich mit "nacktem" Tom70 (nur bekannt aus Hefe) kann man Rückschlüsse ziehen. Demnach hat Tom70 in der ungebundenen Form eine offenere Stuktur; die hier gezeigte feste Umklammerung des Orf9b erfolgt erst nach Initialbindung des Virenproteins. Der Effekt: infolge der Komplexbildung wird in unserem Körper die Herstellung einer Interferongruppe unterdrückt, was wiederum dem Virus freie Bahn zur Vermehrung öffnet. Man braucht also nur noch irgendetwas, das die Bindung von Orf9b an Tom70 verhindert....

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Literatur:
D E Gordon et al., Science 370 (2020) DOI: 10.1126/science.abe9403
S Kreimendahl, J Rassow, Int. J. Mol. Sci. 21, 7262 (2020) DOI:10.3390/ijms21197262



5-4-2021 © Rolf Bergmann   http://www.papanatur.de/jsmol/sars11/tom70.html