Betrachtungen zur Antigenität der omicron-VOC
Das Spike-Protein (Trimer) des ursprünglichen Sars-Coronavirus (heutige Bezeichnung Wuhan-hu-1) ist hier mit allen Rezeptor-Bindedomänen (RBD) in der inaktiven Position gezeigt . Die Struktur entspricht allen bisher in Europa zugelassenen Impfstoffen. Dieser Virenstamm ist seit etwa zwei Jahren ausgestorben. Hier ein Stammbaum der gegenwärtigen besorgniserregenden Varianten (VOC):
https://doi.org/10.1101/2021.12.14.21267755
Eine Impfung soll den Körper zur Produktion von Antikörpern anregen, die das Virus beim Auftreffen auf Schleimhäute abfangen und neutralisieren. Angriffspunkte für Antikörper sind die freien Proteinbereiche zwischen den Zuckermolekülen (braun). Ein antigenes Epitop (der Bindebereich auf der Proteinoberfläche) umfaßt etwa 10 Aminosäuren, die dicht beieinander liegen, aber nicht in der Proteinkette aufeinander folgen müssen. Der gesamte Platzbedarf des Antikörpers ist noch größer - und die Zuckermoleküle stören (Zucker ist nicht antigen). Alle Zuckermoleküle des Spikes schützen etwa 40% der Oberfläche vor Antikörpern.
Wenn eine Aminosäure in einem bestimmten Epitop gegen eine andere durch Mutation getauscht ist, ändert sich die Oberflächenstruktur an dieser Stelle (räumliche Änderung oder elektrische Ladungsänderung). Ein gegen dieses Epitop gerichteter Antikörper bindet daraufhin schlechter oder garnicht mehr.
Die omicron-Variante des Coronavirus zeichnet sich gegenüber α bis δ durch eine erheblich größere Anzahl von Mutationen aus. Das hat erhebliche Konsequenzen für die Bindungsfähigkeit von Antikörpern, die durch eine Impfung mit dem Wuhan-Stamm gebildet werden. Bisher sind keine Atomkoordinaten für das omicron-Spike veröffentlicht, ich kann daher nur die betroffenen Positionen zeigen (Wuhan-Aminosäuren rot)
. Die Mutationen im omicron-Spike sind nicht neu, jede kam schon einmal in einem älteren Stamm vor. Es sieht aus, als habe omicron alles Nützliche von Vorgängern eingesammelt. Fang und Shi haben Datenbanken und Literatur durchforstet und die bekannten Auswirkungen jeder Mutation herausgesucht: die meisten dienen dazu, der Immunantwort des Wirtes zu entgehen (sowohl Antikörpern als auch der Zell-Antwort); viele erhöhen auch die Infektiösität.
Die Mutationen in der aminoterminalen Domäne bewirken alle, daß die Epitope von den darauf gerichteten Antikörpern nicht mehr erkannt werden (Strukturänderungen sowohl bei Deletionen [Wegfall] von Aminosäuren als auch Insertionen [Einfügen] haben naturgemäß großen Einfluß auf die Oberfläche des Proteins):
(hier symbolhaft an nur einem Spikeprotein gezeigt).
In der Rezeptor-Bindedomäne des Spikes gibt es nur Aminosäure-Austausche, alle haben in anderen Mutanten ein Ausweichen der Immunantwort bewirkt:
(nur im hellblauen Protomer). Zwei Mutationen in dem Bindemotiv erhöhen die Infektiosität
.
In der C-terminalen Domäne gibt es drei Mutationen mit bisher unbekannter Wirkung (sie ligen nicht an der Oberfläche)
(wieder nur für ein Protomer gezeigt). Die anderen Mutationen vermindern die (Wuhan-)Antikörper-Bindefähigkeit
oder erhöhen die Infektiosität
. In der raumfüllenden Ansicht (so wie Antikörper das Spike wahrnehmen) ist von den C-terminalen Mutationen nicht viel zu sehen; eine das lokale Volumen ändernde Mutation innen kann aber die Oberfläche zB. "ausbeulen". Einige der Mutationen haben auch elektrostatische Auswirkungen
.
Was bleibt da noch an Schutz vor einer omicron-Infektion nach der Wuhan-Impfung? Eine multinationale klinische Untersuchung ergab: Kaum etwas - nur nach einer (nicht mehr als drei Monate zurückliegenden) Booster-Dosis bleibt ein Immunschutz.
https://doi.org/10.1101/2021.12.14.21267755
Es wird höchste Zeit, einen omicron-Impstoff zu entwickeln (BioNTech reklamiert ja Lichtgeschwindigkeit für sich); eine Androhung von Impfzwang mit einer Wuhan-Vakzine (in mindestens vierteljährlichem Abstand) bekommt dann den Geschmack staatlicher Körperverletzung. Novavax hat erklärt, ab Januar einen angepassten Impfstoff (aber erst nur für den Heimatmarkt USA) liefern zu können, BioNTech denkt über April 2022 nach. Hoffentlich wird bis dahin aus omicron nicht das nächte Monster.
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Literatur:
Fang "Flora" Fang & Pei-Yong Shi (2021): Omicron: A Drug Developer's
Perspective, Emerging Microbes & Infections, DOI: 10.1080/22221751.2021.2023330
W. F. Garcia-Beltran et al (2021): mRNA-based COVID-19 vaccine boosters induce neutralizing immunity against SARSCoV-
2 Omicron variant, https://doi.org/10.1101/2021.12.14.21267755
Spike-Struktur: 7jji.pdb